Mai 6

Schon Hippokrates hat gesagt: »Der Darm ist der Vater aller Trübsal.«

Aber ist das so?

Kann es wirklich sein, dass die Ursache für eine bis dato unheilbare Erkrankung wie Parkinson im Darm liegt?

Auf dem ersten Blick ist das Wahnsinn. Unvorstellbar!

 

Aber wie kommen Wissenschaftler auf solch eine Hypothese und was bedeutet das für Erkrankte?

Ist Parkinson vielleicht doch heilbar?

»Eure Nahrung soll eure Arznei sein!«

Das ist ein weiteres Hippokrates-Zitat, eines bedeutenden Arztes aus der Antike. Aber gibt er der Medizin damit das passende Stichwort für die Heilung von Parkinson?

Prof. Dr. Dirk Woitalla hat die Fährte aufgenommen. Er hat sich zwar nicht umfassend mit der antiken Medizin beschäftigt, aber für »Move on trotz Parkinson« in Düsseldorf einen Vortrag über die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse in der Parkinson-Forschung gehalten.

 

Mit der Parkinson-Forschung sind einige Wünsche und Hoffnungen verbunden.

Erkrankte hoffen auf neue Medikamente, die weniger Nebenwirkungen und eine bessere Wirkung haben sollen. Toll wären Medikamente, die z. B. eine Überbewegung verhindern können.

Von der Gentechnik wird erwartet, dass Parkinson geheilt wird.

Ein anderer Hoffnungsschimmer sind Impfungen, die eine Erkrankung verhindern könnten.

 

Doch ist all das überhaupt denkbar? Über welche Erkenntnisse konnte Prof. Dr. Woitalla berichten?

Es ist nicht neu, dass bei Parkinson die Dopamin-produzierenden Nervenzellen absterben und somit weniger Dopamin hergestellt wird. Dadurch entsteht ein Problem in der Nervenübertragung.

Das Dopamin hat die Aufgabe, die Membrane für Reize empfänglicher zu machen. Durch die geringere Menge an Dopamin werden also die Reize schlechter übertragen.

Die geringere Menge an Dopamin kann lange Zeit vom Körper kompensiert werden. Erst wenn ein großer Anteil der Dopamin-produzierenden Nervenzellen abgestorben ist, kommt es zu den ersten auffälligen Symptomen wie z. B. Tremor, Verlangsamung oder Muskelsteifheit.

Unauffälligere Symptome wie eine Depression können, ohne es mit Parkinson in Verbindung zu bringen, vorangehen.

 

Doch was ist der Grund für die Veränderung und das Absterben der Dopamin-produzierenden Nervenzellen? Ist es eine Vergiftung?

1997 haben amerikanische Wissenschaftler herausgefunden, dass das Alpha Synuklein möglicherweise daran beteiligt ist, Parkinson zu verursachen.

Ja, also neu ist auch diese Erkenntnis nicht.

Aber mit wirklich neuen Erkenntnissen rasch aufzutrumpfen ist ohnehin schwierig.

Nach unserem bisherigen Stand der Technik ist die Bildauflösung mit einer Vergrößerung auf Zellniveau nicht möglich. Daher können wir die Krankheit nur genauso von außen beobachten, wie James Parkinson dies 1817 in seiner Arbeit »An Essay on the Shaking Palsy« tat.

Laut Aussage von Prof. Dr. Woitalla ist die mangelnde Bildauflösung auch der Grund dafür, warum viele an Parkinson Erkrankte keinen bildgebenden Beweis haben.

Bisher kann nur eine sogenannte DaTSCAN-Szintigraphie gemacht werden. Dieses Verfahren gibt Aufschluss über die Dopamin-Transportdichte.

Sobald sich aber die Symptome Tremor, muskuläre Rigidität, Bradykinese oder posturale Instabilität miteinander kombinieren, gilt die Diagnose Parkinson ohnehin schon als gesichert. Der Grund dafür ist, dass eine den Symptomen ähnelnde andere Erkrankung fehlt. Als weiterer Beweis für Parkinson wird die erfolgreiche Behandlung mit L-Dopa betrachtet. Nur um sicher zu gehen wird dennoch häufig ein Gehirntumor mit entsprechender Bildgebung ausgeschlossen. Auf eine weitere Bildgebung wird dann verzichtet.

Als kleine Bemerkung am Rande möchte ich hinzufügen, dass es Parkinson-Fälle gibt, die aufgrund der klinisch-neurologischen Untersuchungen eindeutig die Diagnose Parkinson erhalten haben. Im weiteren Krankheitsverlauf dieser Fälle ist aber auffällig, dass sich über Jahre hinweg keine weiteren Krankheitssymptome entwickeln. Im DaTSCAN können diese Fälle einen unauffälligen Befund ausweisen.

Bei solchen Krankheitsbildern wird von SWEED, also von »subjects with scans without evidence of dopaminergic deficit« – übersetzt »Personen ohne Hinweise auf ein Dopamindefizit« – gesprochen. Falls also der Verlauf untypisch ist, könnte ein DaTSCAN aufschlussreich sein.

 

Aber was haben die Wissenschaftler dann jetzt wohl in den letzten zwanzig Jahren herausgefunden? Was sind die Ursachen von Parkinson?

Wenn man das Alpha Synuklein als Ausgangspunkt für die Erkrankung betrachtet, fällt auf, dass sich die räumliche Struktur des Eiweißes durch Mutation verändert. Es arbeitet nicht mehr richtig, sondern verklebt und bildet Aggregate.

Eine weitere Veränderung, die erkannt wurde, findet in den Mitochondrien statt. Die Mitochondrien sind für den Energiehaushalt der Zelle verantwortlich.

Aber nicht nur die Mitochondrien selbst können gestört sein, sondern auch das zelleigene Recyclingzentrum. Defekte Mitochondrien werden demnach nicht durch neue, gut funktionierende ersetzt.

 

Es gibt noch einen anderen interessanten Ansatz:

Braak et al hat 2002 im Journal of Neurology ein neues Modell veröffentlicht. Demnach breitet sich die Degeneration vom Hirnstamm ausgehend aus.

 

Eine Frage, die aus diese Entdeckung resultiert, ist: Wie kam die Krankheit ins Gehirn?

Eine mögliche Antwort darauf ist, dass die Veränderung über den Vagusnerv aus dem Darm übertragen wurde.

Sprich: Hatte Hippokrates vielleicht doch recht?

Interessant ist, dass der Darm genauso viele Nervenzellen besitzt wie das Rückenmark. Allerdings gibt es nur wenige Neurologen, die sich mit dem enterischen Nervensystem auskennen. Das verlangsamt den Fortschritt weiterer Erkenntnisse.

Untersuchungen haben ergeben, dass bei einseitiger Durchtrennung des Vagusnervs auf der durchtrennten Seite keine Parkinson ähnliche Zellveränderung gefunden werden konnten. Hingegen lagen auf der anderen Seite wohl Zellveränderung vor.

 

Doch wie kann das sein? Handelt es sich doch eine Vergiftung, obwohl unsere Nahrungsmittel so gut kontrolliert werden?

Der Verdacht deutet im Moment auf der Besiedlung des Darmes mit Bakterien hin, die auch Gifte produzieren.

Aus den ganzen Ergebnissen und möglichen Ursachen schlussfolgert Prof. Dr. Woitalla, dass es möglicherweise viele verschiedene Parkinson Erkrankungen gibt. Ein Teil davon könnte mit Impfungen verhindert werden.

Interessant ist zudem, dass zur Zeit zwölf Medikamente getestet werden.

Vieles von der Forschung ist geheim. Daher erfahren wir die Ergebnisse nicht, bevor nicht alle Tests durchgeführt sind. Fakt ist: Im letzten Jahrzehnt ist nur ein neues Medikament auf den Markt gekommen.

 

Doch, was bedeuten diese Erkenntnisse nun für an Parkinson Erkrankte?

Ernährung ist ein wichtiger Faktor für die Gesundheit, und die Ernährung ist etwas, das du selbst unter Kontrolle hast. Zwar wissen wir im Moment noch nicht, wie wir genau mit den Erkenntnissen umzugehen haben, aber es gibt bereits erste Erkenntnisse über positive Wirkungen z. B. von Kaffee.

Prof. Dr. med. Horst Przuntek hat in einem weiteren Vortrag unter anderem den positiven Effekt der Ayurveda-Diät vorgestellt.

 

Bis dahin: Bleib fit trotz Parkinson!

Silke