Liebe Lena, liebe Soi,
vor einem Jahr habt ihr gemeinsam das projekt:tanz e.V. gestartet. Wie kam es zu dieser Idee?
Lena: Die Idee kam eigentlich zu mir. Ich habe damals in Freiburg im Breisgau gewohnt und unterrichtet und eine Selbsthilfegruppe der deutschen Parkinson Vereinigung hat mich angesprochen. Sie hatten damals eine Doktorarbeit zum Thema Tanz an der Universität begleitet und wollten nach deren Abschluss gerne weiter tanzen. Ich selbst hatte damals keine Ahnung von Parkinson oder den Möglichkeiten zu tanzen, aber die Gruppe hat mich bei meiner Konzeptentwicklung sehr unterstützt und mir mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Als ich dann nach Hamburg gezogen bin, habe ich in verschiedenen Selbsthilfegruppen der dPV weiter gemacht. Die Anfrage war so groß, dass ich dann 2015 die ersten Workshops unter dem Namen projekt:tanz gegeben habe. Weil aber auch hier die Nachfrage immer größer wurde, habe ich eine Seite dazu auf Facebook veröffentlicht. So habe ich Soi kennengelernt und dann kam eins zum anderen.
Soi: Genau, ich hatte auf Facebook gesehen, dass Lena diese Workshops anbietet und fand das irgendwie total interessant! Tanzen begleitet mich schon mein ganzes Leben und hat mir schon so viel gegeben! Es war sofort total schlüssig für mich, dass es auch bei dieser Erkrankung hilfreich ist! Durch die große Nachfrage kam es dann auch zur Gründung des Vereins.
Wie führt ihr das Projekt konkret aus? An wen richtet es sich?
Lena: Wir bieten Tanzgruppen in verschiedenen Stadtteilen in Hamburg an. Eingeladen ist natürlich jeder Erkrankte der Lust auf Tanzen hat. Aber auch Partner, Angehörige und andere Tanzbegeisterte.
Soi: Einige Tänzerinnen bringen z.B. auch ihre Freundinnen oder Nachbarinnen mit, die im gleichen Alter sind und auch Spaß am Tanzen und Bewegen in der Gruppe haben. Wir bieten alle zwei Wochen 60-minütige Workshops an und jeder kann individuell entscheiden, ob er beim nächsten Termin kommen möchte beim oder nicht.
Wobei hilft das Tanzen konkret?
Soi: Unsere Stichworte sind hier immer “Mobilität, Lebensfreude und Verbindung”. Mobilität erhalten und zurück geben, Lebensfreude geben und entstehen lassen und dann vor allem die Verbindung untereinander. Die gemeinsame Aktivität, die Freude bringt und ein Miteinander schafft.
Lena: Genau. Wir schulen konkret Dinge wie Koordination, Selbstwahrnehmung und Mobilität. Aber es geht auch darum, Ressourcen zu stärken, das Selbstbewusstsein und das Selbstvertrauen in den eigenen Körper zurück zu geben.
Soi: Bewegungen und eigene Bewegungsinterpretation kann erfroscht werden. Bei vielen verändert das nachhaltig die Lebensqualität.
Was habt ihr in eurem ersten Jahr erreicht? Worauf seid ihr besonders stolz?
Lena: Wir haben viele Vorträge gehalten und Workshops auch in anderen Bundesländern gegeben. Waren auf vielen Veranstaltungen präsent und haben bei anderen Tanzpädagogen und Therapeuten Impulse gesetzt eigene Gruppen zu starten. Besonders stolz sind wir auf unsere DVD!
Soi: Wir haben im November eine Übungs-DVD aufgenommen, auf der wir gemeinsam mit Erkrankten Übungen zum Mitmachen für zuhause zeigen. Die Nachfrage war enorm, von 1000 Stück ist nur noch weniger als die Hälfte verfügbar. Die DVD kann man bei uns kostenlos erwerben – sie wurde durch die Techniker Krankenkasse finanziert und unterstützt von der dPV Hamburg, der Hilde-Ulrichs-Stiftung für nichtmedikamentöse Parkinsonforschung und der Paracelsus Klinik in Bremen. Wir hatten super viel Spaß beim Dreh und unsere Gruppe ist dadurch zusammengewachsen.
Wie stellt ihr euch die Zukunft von projekt:tanz vor?
Lena: Wir wollen genauso weitermachen wie bisher. Wir haben viele Ideen für tolle Projekte und sind schon dabei das nächste umzusetzen. Wir wollen weiterhin neue Gruppen schaffen und mit Erkrankten gemeinsam tanzen. Natürlich sind wir immer angewiesen auf Spenden und Fördergelder, aber so lange das funktioniert und wir weiterhin die Unterstützung bekommen die wir brauchen, haben wir keine Sorge.
Kürzlich durfte ich Soi bei einem Workshop in München live erleben. Schon nach einer halben Minute war die Stimmung im Raum wie verzaubert. Wie schafft ihr das?
Soi: Das frage ich mich auch immer! 😛 Ich glaube, das kommt davon, weil wir selbst den Tanz so sehr lieben und wissen was er bewirken kann. Und das vermitteln und übertragen wir dann mit vollem Einsatz!
Lena: Tanz und Musik – die Kombination kann doch nur verzaubern. 😉
Was können Betroffene tun, wenn sie das Tanzen in ihr Leben integrieren möchten?
Lena: Zuerst einmal ist es immer sinnvoll zu schauen ob es schon eine Selbsthilfegruppe oder ein änhliches Angebot für Betroffene in der näheren Umgebung gibt. Nachfragen kann man da immer bei der dPV z.B..
Soi: Bei uns direkt kann man aber auch immer noch die DVD erwerben, um zuhause selbstständig zu tanzen.
Ihr betrachtet die Aufklärung als einen Teil eurer Arbeit. Was wünscht ihr euch, dass die Öffentlichkeit über Parkinson weiß oder wie sie Parkinson sieht?
Soi: Ich wünschen mir, dass jeder zumindest eine grundlegende Ahnung davon hat, was Parkinson als Krankheitsbild überhaupt bedeutet. Wie vielfältig und unterschiedlich die Symptome sein können und wie sehr es die Betroffenen im normalen Alltag einschränkt. Es ist schließlich eine sogenannte “Volkskrankheit”, die alleine in Deutschland über 300.000 Menschen haben und die Zahl steigt, die Erkrankten werden immer jünger.
Lena: Schön wäre es, wenn vor allem die Angehörigen anfangen mit den Betroffenen zu sprechen und auch die emotionale Ebene sehen. Oft müssen wir sehen, wie Ehepartner, die es nur gut meinen, anfangen zu bevormunden und dem Erkrankten z.B. beim Tanzen nicht mehr die Zeit geben die er aber vielleicht einfach braucht, bis die Bewegung ausgeführt werden kann.
Unser nächstes Projekt wird sich ganz stark mit diesem Teil der Krankheit beschäftigen. Mit der emotionalen Ebene und dem, wie die Betroffenen selbst das Krankheitsbild definieren und was es überhaupt für sie bedeutet krank zu sein. Mehr verraten wir aber noch nicht. 😉
Was würdet ihr Betroffenen und deren Angehörigen raten, wenn sie die Diagnose Parkinson erhalten?
Lena: Redet miteinander. So eine Diagnose kann ein Schock sein, der als Folge oft erstmal den Rückzug hat. Aber es gibt noch viele viele andere Betroffene, die das Gleiche erlebt haben und immernoch erleben. Sucht euch eine Selbsthilfegruppe, werdet aktiv.
Soi: Jeder kann selbst eine aktive Rolle in der Therapie übernehmen. Viele finden durch die Krankheit zur Kunst und malen plötzlich unfassbar schöne Bilder oder häkeln, tanzen… Seid offen für alternative Therapien und beschäftigt euch mit den Dingen, die euch Freude bereiten.
Fit trotz Parkinson steht für ein aktives glückliches Leben trotz Parkinson. Woran denkt ihr hierbei sofort? Was kann Betroffenen und auch deren Angehörigen helfen, nach diesem Motto zu leben?
Lena: Gemeinsame Aktivitäten, gemeinsamer Sport, gemeinsames Tanzen, viel miteinander und anderen Betroffenen sprechen.
Soi: Ich denke dabei daran, sich nicht einschränken zu lassen! Weitermachen mit dem was Freude bringt um fit zu bleiben und nicht einzugehen. Ich stimme Lena voll zu!
Vielen Dank für das Interview!
„Tanz ist Begegnung – Begegnung mit sich selbst und anderen.“
Projekt:Tanz wurde von 17 Mitgliedern gegründet. Hier antworten Lena Klein und Soi Anifantis, die beide unter anderem Tanzpädagoginnen sind.
Wer fragt hier?
Mein Name ist Silke van Beuningen.
Mit meiner Erfahrung als Physiotherapeutin und Life Coach unterstütze ich Parkinson-Erkrankte und deren Angehörige online.
Online bedeutet, dass du meine Hilfe bequem zu Hause erhältst. Du findest allgemeine Tipps auf dieser Seite, kannst aber auch deine Probleme mit mir direkt besprechen.