Interview mit Dr. Gesine Respondek

Liebe Gesine,

du bist Assistenzärztin im Neurologie Klinikum rechts der Isar. Was genau hat dich dorthin geführt? Wo sind deine Schwerpunkte?

Als Assistenzärztin für Neurologie arbeite ich seit 2012 im Klinikum rechts der Isar in München. Begonnen habe ich meine Facharztausbildung in Marburg. Dort wurde mein Interesse für die Parkinson-Erkrankungen geweckt. In der Arbeitsgruppe von Herrn Professor Höglinger – damals auch in Marburg tätig – bin ich auf dem Gebiet der atypischen Parkinson-Erkrankungen dann auch in der Grundlagenforschung eingestiegen. Meine Doktorarbeit habe ich über eine Pflanze in der Karibik, die ein Parkinsonsyndrom auslöst (Annone) verfasst. Als Herr Höglinger in München einen Lehrstuhl für Translationale Neurodegeneration bekommen hat, bin ich als Assistenzärztin mitgegangen. Meine Schwerpunkte in München sind weiterhin die klinische Arbeit und die Forschung auf dem Gebiet der Parkinson-Erkrankungen. Mein besonderes „Steckenpferd“ unter den Parkinson-Erkrankungen ist die Progressive Supranukleäre Blickparese (PSP).

Vor kurzem hast du den PSP-Award 2017 von der Deutschen PSP Gesellschaft für dein Engagement in der Erforschung der PSP und der Versorgung von PSP-Patienten erhalten. Wie kam es dazu?

Der PSP-Award wird von der Deutschen PSP-Gesellschaft alle zwei Jahre verliehen und wie eine Staffel weitergereicht. Ich freue mich, dass ich in diesem Jahr für meine Forschungsarbeiten für die bessere Diagnosestellung der PSP ausgezeichnet wurde.

Im Gegensatz zum Morbus Parkinson ist die PSP recht selten: ca. 8/100.000 Menschen leiden an einer PSP. Leider ist die PSP relativ unbekannt, sogar unter Neurologen. Deshalb gibt es noch viel aufzuarbeiten, um die Versorgung von PSP-Erkrankten zu verbessern. In enger Zusammenarbeit mit der Deutschen PSP-Gesellschaft, ein Verein für Patienten und Angehörige von PSP-Erkrankten, sorgen wir für eine bessere Aufklärung über die PSP und für eine bessere Versorgung von Patienten. Dank der Finanzierung durch die Deutschen PSP-Gesellschaft können wir Forschungsstrukturen in Deutschland schaffen, die hoffentlich in näherer Zukunft Therapien für die bislang unheilbare PSP-Erkrankung schaffen.

Ansonsten hältst du auch Vorträge in Parkinson-Selbsthilfegruppen. Bei welchen Symptomen wirst du hellhörig, wenn es um das große Thema Parkinson geht?

Da ich mich besonders um die bessere Diagnosestellung der PSP bemühe, werde ich hellhörig, wenn bei einem Selbsthilfegruppen-Treffen von Symptomen berichtet wird, die auf eine PSP hindeuten können. Es kommt nicht selten vor, dass Patienten mit einer PSP fälschlicherweise als Morbus Parkinson (=idiopathisches Parkinson-Syndrom) diagnostiziert wurden, da die PSP zum einen recht unbekannt ist und zum anderen auch dem Morbus Parkinson sehr ähnlich sehen kann.

Wie unterscheidest du zwischen einem idiopathischen Parkinson-Syndrom und einem atypischen Parkinson-Syndrom?

Zu den atypischen Parkinson-Syndromen zählen die Multisystem Atrophie (MSA), die Corticobasale Degeneration (CBD) und die PSP. Bei der MSA kommt es neben den parkinson-Symptomen früh im Krankheitsverlauf zu Störungen der Blutdruckregulation und der Blasenfunktion. Die CBD zeichnet sich durch eine deutlich einseitig betonte Symptomatik mit Fehlstellung und Koordinationsstörung einer Körperseite, z.T. begleitet von Sprachstörungen aus. Typische Symptome einer PSP sind eine Störung der Augenbeweglichkeit (vertikale Blickparese, verlangsamte Sakkaden) und eine gestörte Haltungsstabilität (posturale Instabilität) früh im Krankheitsverlauf. Allerdings ist es auch für Experten nicht immer leicht, ein idiopathisches Parkinson-Syndrom von einem atypischen Parkinson-Syndrom zu unterscheiden, da die o.g. typischen Symptome insbesondere im frühen Krankheitsstadium fehlen können.

Gerade habt ihr ja die neuen diagnostischen Kriterien für die PSP erarbeitet. Was ist das Besondere an diesen Kriterien? Wie können sie bei der Diagnosestellung helfen?

Bei der Erstellung der neuen Diagnosekriterien ging es uns insbesondere darum, bei PSP-Patienten die richtige Diagnose möglichst früh stellen zu können – auch bei den Patienten, die nach den alten Diagnosekriterien erst nach Jahren oder überhaupt nicht diagnostiziert worden wären. Dafür gehören nun auch Symptome zu den Kriterien, die weniger spezifisch für PSP sind, dafür aber früh auftreten können.

Worauf Betroffene auch warten und hoffen: Wie ist der aktuelle Stand der Forschung bezüglich der Vorbeugung und Heilung von den Parkinson-Syndromen?

Therapien zur Heilung bzw. Vorbeugung von Parkinson gibt es bislang noch nicht – weder für das idiopathische Parkinson-Syndrom, noch für die atypischen Parkinson-Syndrome. Es wird aber intensiv an Substanzen geforscht, die in die Mechanismen der Entstehung und des Progresses der Parkinson-Erkrankungen eingreifen sollen. Dabei stehen insbesondere die Proteine Alpha-Synuklein (idiopathisches Parkinson-Syndrom, MSA) und Tau (CBD und PSP) im Mittelpunkt der Forschung. Diese Proteine kommen natürlicherweise im Gehirn vor, verlieren aber bei den Parkinson-Erkrankungen ihre wichtige Funktion und bilden Aggregate, die giftig für die Nervenzellen sind und zum Zelluntergang führen.

Was wirkt sich vorteilhaft auf die Erkrankung aus? Worauf sollte man als Parkinson-Patient achten?

Bewegung wirkt sich positiv auf den Verlauf der Parkinson-Erkrankung und auf das Wohlbefinden aus. Motorische Fähigkeiten und das Gleichgewicht sind bei den Parkinson-Erkrankungen beeinträchtigt und können durch eine gezielte Bewegungstherapie und Sport verbessert werden. Allerdings sollten sturzgefährliche Sportarten vermieden werden. Hinsichtlich Ernährung gibt es keine Empfehlungen, die sich speziell auf Parkinson-Erkrankungen beziehen. Eine gesunde, ausgewogene Ernährung ist aber wünschenswert. Auch sollte mit Gruppen-Aktivitäten gegen eventuell im Rahmen der Krankheit auftretende Rückzugstendenzen angegangen werden.

Was würdest du gerne für Parkinson-Erkrankte verbessern?

Ich würde mir natürlich wünschen, dass es bald eine Heilung für Parkinson gibt. Als eines der kleineren Ziele mit großer Wirkung wünsche ich mir z.B. eine verbesserte Versorgung von Parkinson-Patienten in ländlichen Gegenden. In vielen ländlichen Gebieten fehlt es an Fachärzten und spezialisierten Therapeuten, wie Logopäden und Physiotherapeuten. Das führt oft dazu, dass Parkinson-Patienten auf dem Land ganz auf eine spezifische Versorgung verzichten müssen. Eine Möglichkeit zur Verbesserung wäre hier der Ausbau der Telemedizin.

Was würdest du dir wünschen, wie die Öffentlichkeit Parkinson sieht und damit umgeht?

Parkinson-Patienten berichten oft, dass sie es als sehr unangenehm empfinden, wenn ihre Symptome in der Öffentlichkeit auffallen und sie von ihren Mitmenschen quasi aus dem Augenwinkel beobachtet werden. Ich selbst erlebe es oft, dass ein Patient in der Öffentlichkeit schnell „abgestempelt“ wird. Die langsamen Bewegungen und die Sprechstörung können als geistige Behinderung, der Tremor als Nervosität, die Gangunsicherheit als Rausch, der maskenhafte Gesichtsausdruck als unfreundliches Benehmen wahrgenommen werden. Statt unwissend zu bleiben, wäre es viel besser, wenn die Mitmenschen den Parkinson offen thematisieren und nicht scheuen, den Patienten selbst zu seiner Erkrankung zu befragen.

Fit trotz Parkinson steht für ein aktives glückliches Leben trotz Parkinson. Woran denkst du hierbei sofort? Was kann Betroffenen und auch deren Angehörige helfen, nach diesem Motto zu leben?

Ganz wichtig finde ich es, dass die Patienten nicht den Spaß am Leben verlieren. Positives Denken kann auch zu einem besseren Verlauf der Erkrankung beitragen. Auch wenn es natürlich durch die Erkrankung zu Umstellungen im Alltag kommen muss (z.B. regelmäßige Tabletteneinnahmen, eingeschränkte Mobilität, barrierefreie Wohnung): die Krankheit sollte nicht das Leben kontrollieren. Hobbies, soziale Kontakte und Bewegung können helfen, dass sich Patienten und Angehörigen gedanklich nicht ständig mit der Parkinson-Erkrankung beschäftigen.

Vielen Dank für das Interview

Dr. Gesine Respondek
Dr. Gesine Respondek

Dr. Gesine Respondek arbeitet seit 2012 im Klinikum rechts der Isar in München. 2017 erhielt sie den PSP-Award für ihr Engagement in der Erforschung der PSP.

Du bist unsicher, ob du Morbus Parkinson hast oder unter einem atypischen Parkinson-Syndrom leidest?

Die PSP-Gesellschaft hat einen Klinikführer herausgebracht. Du findest ihn hier.

Wer fragt hier?

Mein Name ist Silke van Beuningen.

Mit meiner Erfahrung als Physiotherapeutin und Life Coach unterstütze ich Parkinson-Erkrankte und deren Angehörige online.

Online bedeutet, dass du meine Hilfe bequem zu Hause erhältst. Du findest allgemeine Tipps auf dieser Seite, kannst aber auch deine Probleme mit mir direkt besprechen.

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